17. Architekturbiennale Venedig

Urgent Matters:
Castles Built on Sand

Wettbewerbsbeitrag zur 17. Architekturbiennale Venedig

Ein Rascheln, ein Knacken, als die Brise durch die Lagune streicht. Dort müsste es sein, doch das Portal des deutschen Pavillons ist von einer grünen Wand zugewuchert. Auf den Stufen, vor dem Tor wiegen sich Bambushalme im Wind. Wir folgen ihnen, um eine Ecke, endlich, eine Lücke, ein wogender Flur nimmt uns auf. Die langen Halme neigen sich, bilden über unseren Köpfen ein Dach. Hatte die Julisonne die Stadt in flirrende Hitze getaucht, so ist es hier inmitten des Grüns kühl, die Luft ist von einer erfrischenden Feuchte. Da wird der Boden unter unseren Füßen weicher. Gibt nach und verdichtet sich unter unserem Gewicht, bis unsere Schritte Halt finden. Das Rauschen der Halme ist neuen Geräuschen gewichen. Ein Surren und Klappern. Vor uns ergießt sich ein Sandschwall, stürzt herab nur um zugleich wieder hinaufbefördert und erneut ausgespuckt zu werden. Die Förderbänder sind unermüdlich.
Wir bücken uns und feiner Sand zerrinnt zwischen unseren Fingern.
Seit dreihundert Jahren lässt der Mensch den Kohlenstoff aus seiner mineralischen Flasche. Die Folgen sind unabsehbar und doch sendet der menschengemachte Klimawandel erste Schockwellen durch unser fragiles terrestrisches System.1
Damit steht auch die Architektur vor Herausforderungen, größer und drängender denn je.
Deutschland kommt dabei die Rolle eines Inkubators zu. Als international begehrter Forschungsstandort wird hier interdisziplinär an Lösungen gearbeitet. Auch wenn die Bevölkerungsentwicklung offen ist, bedeutet der Neubau und die Ertüchtigung zu klimaresilienten Infrastrukturen gewaltige Bauaufgaben. Sie bieten die Chance neue Bautechniken, –materialien und –prozesse niedrigschwelliger, wirtschaftlicher und partizipativer zu gestalten und damit den globalen Paradigmenwechsel zu unterstützen.2
Diese Themen nimmt der Pavillon auf und hebt exemplarisch zwei Baustoffe hervor. Bambus und Sand. Bambus, ein schnell nachwachsender Rohstoff, der durch seinen strukturellen Einsatz großes Potential für kommende Architekturen bietet,3

Sand, der trotz seiner sprichwörtlichen Verfügbarkeit „wie Sand am Meer“ zu einer knappen Ressource geworden ist. Über den gesamten Lebenszyklus setzt ein Massivbau ein Vielfaches des CO2-Äquivalent frei, das ein Holzbau bindet.4
Im Pavillon werden Lösungsansätze mit Ästhetik und Wahrnehmungsweisen des Klimawandels kontrastiert, interdisziplinär beleuchtet und kontextualisiert. An den thematischen Schnittstellen zu den Nachbarpavillons Kanada und Korea werden Kooperationen angestrebt. Mit Ihnen erfolgt auch die Dimensionierung des Bambusfeldes, dessen Ausdehnung so die Einbettung des Pavillons in den globalen Diskurs räumlich umsetzt.
Die Annäherung ist eine sensorische, spielerische. Der Bambus ist neuer Außenraum, wandelnde Flora und Verheißung. Der Sand lädt zum Begreifen, Formen und Umschichten ein, während die „automatische Skulptur“ auf Stoffkreisläufe verweist, aber auch das Bild einer Sanduhr hervorruft.
1 Vgl. Bruno Latour: Das Terrestrische Manifest, 2018. Er argumentiert, dass Migration, wachsende Ungleichheit oder Populismus in letzter Konsequenz auf den Klimawandel zurückzuführen seien.
2 Exemplarisch sei hier die Erfolgsgeschichte der deutschen Photovoltaikförderung genannt. Sie trug maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit dieser Technologie bei.
3 Er bindet pro Jahr und Hektar bis zu 62t CO2. Vgl. Jules Jannsen: Designing and Building with Bamboo, 2000
4 Vgl. Cevin Pohlmann: Ökologische Betrachtung für den Hausbau, 2002