WUPPERTAL CAMPUS HASPEL A

Nichtoffener Realisierungswettbewerb
Ausloberin Evangelische Kirchengemeinde zu Staaken
Mit TDB Landschaftsarchitektur
August 2019

2. Rundgang

Die Erde von den Kindern nur geliehen. Motivation

Im Angesicht des Klimawandels nehmen wir Planer*innen unsere Verantwortung zu einer nachhaltigen Ressourcennutzung ernst. Der Abbruch und Neubau kann für uns deshalb nur letzte Maßnahme sein, wenn ein Umbau für neue Nutzungsanforderungen und eine Ertüchtigung auf zeitgemäße energetische und sicherheitstechnische Standards den Aufwand eines Neubaus übersteigen würden.

Dies ist hier gegeben. Material- und Energieaufwand müssen so sparsam wie möglich erfolgen. Das ist Teil unserer Schöpfungsverantwortung. Wir schlagen deshalb das neue Begegnungszentrum als zukunftsweisenden Holzhybridbau vor. Als Baustoff hat Holz eine lange Tradition und ist doch hochinnovativ. Der kumulierte Energieaufwand eines Holzbaus ist wesentlich geringer als der eines vergleichbaren Massivbaus, weiterhin bindet das Material Kohlenstoff und entzieht so der Atmosphäre über seine Lebenszeit CO2.

Das Begegnungszentrum und seine Umgebung

Wir schätzen den Bestandsbau für seine vertrauten Orte, den wohl proportionierten Gartenraum mit seinen geschützten Sitzecken, den stimmungsvollen Innenraum der Kirche. Der Neubau erhält diese Qualitäten oder interpretiert sie neu. Freiräume und Innenräume sind ähnlich proportioniert. Vertraute Elemente wie die Buntglasfenster und die Dachform des Kirchenbaus leben im Neubau fort.

Wir behalten die Grundfläche des Bestandsbaus nahezu bei, spiegeln ihn allerdings entlang der Längsachse. So entsteht ein geschützter Innenhof für die Kita und eine gestärkte Präsenz zum Stieglakeweg. Der Freiraum des Begegnungszentrums fügt sich in den Freiraum zwischen den Zeilen der Nachbarbebauung ein.

Ein präsenter, dreigeschossiger Baukörper am Brunsbütteler Damm markiert den Eingang zum Begegnungszentrum. Seine gestaffelten kubischen Formen verleihen ihm Charakter und kommunizieren mit der gegenüberliegende Bebauung aus den 70er Jahren.

Die Kita befindet sich im geschützteren Bereich am Oldesloer Weg. Das Satteldach des zweigeschossigen Baus verweist auf seinen Vorgängerbau und die Satteldächer der Zeilenbauten.

Die beiden Straßenfassaden sind durch ihre Formensprache differenziert und machen so verschiedene Bereiche ablesbar. Mit ihrer einheitlichen Materialität vermitteln die beiden Straßenfassaden ihre Zugehörigkeit. Ihre markante Erscheinung verankert den Neubau als Adresse im Stadtraum.

Das Gebäude ist ein Haus der Bewegung. Freiräume verteilen sich auf mehrere Ebenen und sind teils öffentlich durchwegbar. Der geschützte Außenbereich der Kita ist räumlich gefasst, erlaubt aber vielfältige Kommunikations- und Sichtbeziehungen mit dem Begegnungszentrum und den umliegenden Bereichen. So sind von der Terrasse aus Einblicke in die Lehrküche zu erfahren. Ein großer Erlebnisraum für die Kinder der Kita.

Raum und Organisation

An einem Vorplatz am Brunsbütteler Damm markiert ein Unterschnitt den Haupteingang. Durch ihn treten wir in das „Offene Café“, das das Foyer und den Verteiler für das Begegnungszentrum bildet. Ein anschließender Flur erschließt zwei Werkräume. Über eine Treppe erreichen wir die erste Etage mit Mehrzweckräumen und dem Lehrküchenbereich, der die Schnittstelle zwischen Kita und Begegnungszentrum bildet und über die Terrasse verbunden werden kann.

Im Obergeschoss weitet sich der Treppenraum. Das ganze Haus ist offen und begehbar angelegt. Um Bewegung und Begegnung zu fördern, sind Nutzungseinheiten wie der Saal und der Andachtsraum auch im Obergeschoss angeordnet. Dies erlaubt einen freieren Umgang mit den Raumhöhen, ihre Staffelung macht die Nutzungen an der Fassade lesbar. Sie ist auf der Innenseite von bunten Glasfenstern durchbrochen. Hier äußert sich der Andachtsraum als besonderer, sakraler Ort.

Wir erreichen ihn vom Treppenraum aus im introvertierten Teil des Hauses. Die Atmosphäre hier ist ruhig, kontemplativ. Im gedimmten Licht lassen vorbeiziehende Wolken die versprengten Glasfenster funkeln. Der Raum ist nach Osten ausgerichtet. Seine neutrale Gestaltung heißt Angehörige aller Glaubensrichtungen zur Andacht willkommen.

Der Saal liegt gleich nebenan, sodass die Räume zusammengeschaltet werden können. Mit einer Trennwand kann er aber auch aufgeteilt werden.

Zurück im Erdgeschoss finden wir gegenüber des Cafés das Familienzentrum, das zusammen mit der Kita im zweigeschossigen Gebäudeteil liegt. Der Haupteingang der Kita befindet sich nebenan, die Gebäudeteile funktionieren unabhängig voneinander. Der Eingangsbereich fließt in eine lichte Innenzone mit transitären Spiel- und Aufenthaltsbereichen, von der sich gleichberechtigt Funktions- und Gruppenräume öffnen. Im Erdgeschoss ist vornehmlich der Krippenbereich untergebracht, über eine Treppe erreichen wir den Elementarbereich im ersten Obergeschoss. Eine umlaufende Terrasse dient als zweiter Rettungsweg und erlaubt von jedem Raum den Zugang nach Draußen. Sie schafft einen sonnengeschützten Aufenthaltsbereich im Erdgeschoss, das über eine Außentreppe erreicht wird. Auch eine Rutsche ist hier denkbar.

Der Gebäudeteil ist so ausgelegt, dass die Zonierung durch das Abtrennen eines Bereichs flexibel an wandelnde Anforderungen angepasst werden kann. Umgekehrt kann die Kita mittels eines Umzugs des Familienzentrums wachsen. Auch die Aufteilung in Krippe und Elementarbereich ist flexibel.

Material und Konstruktion

Das Gebäude ist ein Holz-Hybridbau. Holz verfügt über hervorragende baubiologische Eigenschaften. Während andere Baustoffe in der Herstellung erhebliche Mengen an Klimagasen freisetzen, bindet Holz über seine Lebensdauer Kohlenstoff und ist damit CO2-negativ. Als nachwachsender Rohstoff spielt es eine tragende Rolle in der Dekarbonisierung der Bauindustrie.

Die Geschosse werden von einer Holzständerkonstruktion getragen. Zwischen den Ständern ist sie hochgedämmt, was platzsparend und damit effizient ist. Auch die Massivbaudecken bestehen aus Holz. Dort wo Trittschall absorbiert werden muss, thermische Puffer oder große Spannweiten erforderlich sind, bestehen die Decken aus Beton. Die Aussteifung erfolgt über die Decken und Außenwände.

Die Holzbauweise zeichnet sich durch Einfachheit und Systematik in Planung und Realisierung aus und spart dadurch Kosten. Dank eines hohen Vorfertigungsgrads wird eine hohe Ausführungsqualität unter Erfüllung höchster bauphysikalischer Anforderungen erreicht.

In den Innenräumen ist die haptische Qualität des Holzes erlebbar. Engstehende Holzleisten und schallschluckende Holzwolleplatten sorgen in sämtlichen Räumen für angenehme Akustik, beste Sprachverständlichkeit und für ein gutes Raumklima. Alle Fenster können zur natürlichen Belüftung geöffnet werden.

Energie

Das energetische Konzept sieht einen kompletten Verzicht auf fossile Energieträger vor. Es ist eine maximale Nutzung erneuerbarer Energien vorgesehen: Geothermie und Sonnenenergie.

Der zur Beheizung des Gebäudes und für die Warmwasserbereitung erforderliche Heizwärmebedarf wird durch Erdwärme gedeckt. Spitzenlasten werden durch einen integrierten Elektroheizstab sowie durch Brennstoffzellen abgefangen. Im Sommer wird die Geothermie zur passiven Kühlung des Gebäudes eingesetzt.

Die Brennstoffzellen nutzen als Energieträger Biogas und erzeugen Strom und Wärme. Unterstützt werden sie dabei durch eine thermische Solaranlage mit Hybridelementen auf dem Dach über dem 2.OG. Hybridelemente sind Solarmodule, die sowohl für Photovoltaik als auch für Solarthermie genutzt werden können. Der von der PV-Anlage und den Brennstoffzellen erzeugte Strom deckt übers Jahr betrachtet den Strombedarf der haustechnischen Anlagenteile wie Pumpen, Wärmepumpen und Lüftungsgeräte. Um möglichst wenig überschüssigen Strom in das öffentliche Netz einzuspeisen, wird der selbst erzeugte Strom in Stromspeichern zwischengespeichert.

Ein Niedertemperatursystem in Böden und Decken heizt und kühlt. Die Kühldecken sorgen für eine gleichmäßige Wärmeabgabe und verhindern das Entstehen von „Kaltluftseen“, was vor allem in der Kita von Bedeutung ist. Das System ist auch mit Schallschutzdecken kombinierbar.

Die Wärmeenergie zur Erzeugung des Trinkwarmwassers wird in Pufferspeichern zwischengespeichert. Warmwasser wird bei Bedarf mittels Frischwasserstationen im Durchlaufprinzip erzeugt und ist deshalb auch bei den niedrigeren Temperaturen der von Kindern genutzten Zapfstellen hygienisch.

Die Fenster werden so gestaltet, dass eine ausreichende Lüftung am Tage sowie eine Nachtlüftung möglich sind. Auf Anlagen zur mechanischen Be- und Entlüftung kann deshalb weitestgehend verzichtet werden. Das Lüftungsgerät für Küche und Saal ist direkt auf dem Dach platziert. Durch die Kombination von einer Wärmepumpe mit einer Heatpipe, also aktiver und passiver Wärmerückgewinnung erreicht es eine Effizienz von fast 100% und der Wärmezufuhrbedarf reduziert sich in den kalten Wintermonaten auf ein Minimum. Die Zuluftmenge wird hinsichtlich Bedarf und Präsenz geregelt. Quellluftauslässe in Bodennähe bieten höchsten thermischen Komfort aufgrund geringer Luftgeschwindigkeiten und sanfter Luftverteilung.

Das Gebäude wird mit energiesparender sowie präsenz- und tageslichtabhängiger LED-Technik beleuchtet. LED-Leuchten besitzen außerdem eine deutlich höhere Lebensdauer als herkömmliche Leuchtmittel.

Das Gebäude wird mit einem außenliegenden textilen Sonnenschutz ausgestattet. Dieser wird mittels Regen-, Wind- und Sonnensensor so gesteuert, so dass die sonnenbeschienenen Räume optimal verschattet werden.

Zur Minimierung der Regenwasserableitung wird das straßenseitige Dach über dem 1.OG als Naturdach ausgebildet, alle anderen Dächer werden als Retentionsdächer ausgebildet. Es ermöglicht einen Wasserrückhalt von bis zu 70%. Somit wird der Regenwasserabfluss vom Dach minimiert und das anfallende Regenwasser kann auf dem Dach bereits verdunsten, was zur Verbesserung des Stadtklimas beiträgt. Überschüssiges Regenwasser wird einer Zisterne mit nachgeschalteter Versickerung gesammelt und dient zur Gartenbewässerung oder wird direkt dem natürlichen Bodenspeicher zugeführt. Gezielte Fassadenbegrünungen verringern das Aufheizen der Wandflächen und tragen somit zu einem guten und gesunden Innenraum- und Stadtklima bei.

Die Außenräume

Die Teilbereiche werden durch ein stark durchgrüntes übergeordnetes Gestaltungskonzept von polygonal geformten Flächen und locker gesetzten Bäumen verbunden. Ihre vielschichtigen Nutzungen und Anforderungen integrieren sich wie selbstverständlich in das Gesamtbild. Durch sensiblen Umgang mit dem Baumbestand, einer naturnahen Gestaltung und Barrierefreiheit entsteht ein einladender Ort, der den Ansprüchen der verschiedenen Nutzergruppen gerecht wird und gleichzeitig viel Platz für Austausch und Synergien bietet.

Der Außenbereich des Begegnungszentrums wird von einer polygonalen Struktur aus Vegetationsflächen und befestigten Flächen umspült. Im Osten findet sich das großzügige Entree mit ihren locker eingestreuten Sitzkieseln, das die Besucher*innen wie selbstverständlich zu den überdachten Eingängen des Begegnungszentrums führt. Über den Vorplatz gelangt man zusätzlich auf den vom Neubau gerahmten Innenhof. Der intime abgeschirmte Ort bietet neben einem befestigten Bereich mit Wasserspiel einen kleinen grünen Garten. Im befestigten Bereich können Tische für Gruppenarbeiten, zum Kaffee trinken oder Festivitäten aufgestellt werden. Auf der grünen Gegenseite wird ein Ort zum Zurückziehen und der Kontemplation geschaffen. Eine durch ein Mauerelement gesäumte Sitzecke sorgt für zusätzliche Intimität und zitiert die am Stieglakeweg gelegene Bestandsmauer. Von hier aus wird der Blick auf den gesamten Hof gelenkt. In der Mitte des Hofes treffen der Kita-Außenbereich und der Außenbereich des Begegnungszentrums aufeinander, welche trotz funktionaler Trennung räumlich eine Einheit bilden.

Die Ostseite des Begegnungszentrums ist funktional geprägt. Neben einem kleinen Hochbeet für Urban Gardening befinden sich hier der Anlieferbereich, die Mülleinhausung und Pkw-Stellflächen. Im Süden bildet eine baumbestandene Pflanzfläche den Abschluss zum Brunsbütteler Damm. In Eingangsnähe bilden eine Tischtennisplatte und eine Sitzbank Teil des Vorplatzes.

Der Kita-Außenbereich integriert die gewünschten Aneignungs- und Spielbereiche in die übergeordnete Formsprache und bietet den Kindern und Betreuern ein vielfältiges Angebot an Nutzungen auf unterschiedlichen Materialien und Vegetationsflächen. So prägt den Freiraum eine grüne Mitte mit einer offenen Rasenfläche. Auf ihr steht eine Baumgruppe, welche das vertikale Zentrum des Innenhofes markiert. Eine dem Neubau vorgelagerte Terrasse dient als erweiterter Innenraum und verbindet die Spielflächen. Hier können Tische aufgestellt und getobt werden. Der befestigte Bereich weitet sich an der westlichen Stirnseite des Kita-Neubaus, um Platz für größere Gruppenspiele und Rollerfahrende zu schaffen. An diese Fläche grenzt der neue Sandspielbereich mit Kletterelementen und einem Wasserspiel. Der nördliche Streifen wird mit einer Experimentierfläche, einem Ruhebereich und einem Gemüsebeet bestückt.

Eine umlaufende Heckenpflanzung mit integriertem Zaun, rahmt und schützt den Freiraum. Lediglich der Bereich zum Außenraum des Besucherzentrums erhält Öffnungen in der Pflanzung, um Sichtbezüge und einen Austausch zwischen den Parteien zu ermöglichen.

Der Kita-Außenbereich wird durch eine großzügige Terrasse im ersten Obergeschoss ergänzt. Eine Außentreppe verbindet beide Ebenen miteinander. Hier sind diverse Nutzungsmöglichkeiten denkbar.